Allgemeine Informationen zur Bestrahlung des Akustikusneurinoms

Das Ziel einer Bestrahlung ist der Wachstumsstillstand des Tumors Akustikusneurinom. Durch die Bestrahlung wird das Erbgut der Tumorzellen verändert, sodass sich diese nicht weiter vermehren. Diese lokale Behandlung wird vor allem bei Tumoren von einer Grösse bis zu 3 cm durchgeführt.

Was bewirkt eine Akustikusneurinom-Bestrahlung?

Das Ziel einer Akustikusneurinom-Bestrahlung ist, dass der Tumor nicht mehr weiter wächst. Das Vestibularisschwannom wird also nicht entfernt. Bei der Bestrahlung kommen vor allem Röntgen- oder Gammastrahlen zum Einsatz, welche aus kleinen Lichtteilchen, sogenannten Photonen, bestehen. Die Strahlen werden aus unterschiedlichen Richtungen und mit hoher Geschwindigkeit auf den Tumor gelenkt. Bei der Energieübertragung auf das erkrankte Gewebe wird die DNA (Desoxyribonukleinsäure) der Tumorzellen, also deren Erbgut, beschädigt. Dadurch können sich die Tumorzellen nicht weiter vermehren.

Bestrahlung des Tumors
Bestrahlung des Tumors

Wie wird das umliegende gesunde Gewebe geschont?

Bei einem Akustikusneurinom ist die maximale Schonung des umliegenden Gewebes besonders entscheidend, da sich wichtige Hirnnerven in der Nähe befinden. Vor der Bestrahlung muss der Tumor daher möglichst genau lokalisiert werden. Das erfolgt mit Hilfe von Computertomographien (CT), Magnetresonanztomographien (MRT) und anderen bildgebenden Verfahren.

Frontaler Schnitt eines Akustikusneurinoms im MRT
Frontaler Schnitt eines Akustikusneurinoms im MRT
(Quelle: Webseite der MH Hannover)
Axialer Schnitt eines Akustikusneurinoms im MRT
Axialer Schnitt eines Akustikusneurinoms im MRT
(Quelle: Webseite der MH Hannover)

Bei der Therapie werden die Strahlen aus verschiedenen Richtungen auf den Tumor gelenkt. Dort überschneiden sich die Strahlen und «bündeln» ihre Energie. Dadurch ist die Wirkung der Bestrahlung im Tumor selbst am stärksten, während das umliegende Gewebe nur einer geringen Dosis ausgesetzt ist. Man spricht hier vom Prinzip der Strahlenfokussierung oder von der stereotaktischen Bestrahlung. Eine Mitbestrahlung von gesundem Gewebe ist jedoch nicht völlig vermeidbar. Daher wird diese Behandlung vor allem bei Tumoren von einer Grösse bis zu 3cm durchgeführt.

Welche Arten der Akustikusneurinom-Bestrahlung gibt es?

Bei der Diagnose eines Vestibularisschwannoms gibt es verschiedene Bestrahlungsmöglichkeiten:

Fraktionierte Strahlentherapie

Bei der fraktionierten stereotaktischen Bestrahlung oder Radiotherapie (FSRT) wird die geplante Gesamtdosis in kleinere Einzeldosen aufgeteilt und in mehreren Sitzungen verabreicht. Die Strahlen werden durch einen sogenannten Linearbeschleuniger erzeugt. Der Behandlungszeitraum variiert von mehreren Tagen bis zu sieben Wochen. Je nach Patientin oder Patient sind das 5 bis 35 Sitzungen. Eine Sitzung dauert mit Vorbereitungszeiten etwa 10 bis 20 Minuten und wird ambulant durchgeführt.

Einzeitbestrahlung

Die stereotaktische Bestrahlung mit einer einmaligen hohen Dosis bezeichnet man als Einzeitbestrahlung oder Radiochirurgie. Hierbei kommen insbesondere das Gamma-Knife, das Cyber-Knife oder die ZAP-X Therapie zum Einsatz. Die Behandlung dauert zwischen 30 Minuten und 3 Stunden und wird ebenfalls ambulant durchgeführt.

Linearbeschleuniger
Linearbeschleuniger
 Gamma-Knife
Gamma-Knife
Cyber-Knife
Cyber-Knife
(Quelle: Inselspital Bern)
ZAP-X
ZAP-X
(Quelle: SNRC Zürich)

Studien zeigen, dass die Tumorkontrollraten, also die Fälle, in denen das Akustikusneurinom nicht weiter gewachsen ist, bei der fraktionierten Strahlentherapie und bei der Einzeitbestrahlung ähnlich sind. Einige Studien zeigen jedoch erhöhte Raten von Gesichtsnervlähmungen sowie Trigeminusnervschädigungen bei der fraktionierten Radiotherapie.

Deshalb wird die Radiochirurgie, insbesondere bei kleineren Vestibularisschwannomen, bevorzugt. Der kürzere Behandlungszeitraum ist ein weiterer Grund für die Bevorzugung dieser Methode.

Bei grösseren Tumoren kommt häufig die klassische fraktionierte Strahlentherapie zum Einsatz. Zum Beispiel dann, wenn die Radiochirurgie aufgrund des höheren Bestrahlungsvolumens als nicht sicher für die Patientin oder den Patienten eingestuft wird oder wenn keine Operation gewünscht wird.

Was sind die Vorteile einer Akustikusneurinom-Bestrahlung?

Die Vorteile einer Bestrahlungstherapie im Vergleich mit einer Operation können sein:

  • keine Operation (das bedeutet kein Öffnen des Körpers, keine Schnitte, Nähte oder Narben)
  • keine Infektionsgefahr
  • keine Narkose
  • kurze, schmerzfreie Therapie
  • ambulante Behandlung, kein Krankenhausaufenthalt
  • minimale körperliche Belastung
  • keine nennenswerte Rehabilitationszeit

Es gilt an dieser Stelle aber nochmals festzuhalten, dass die Bestrahlung – im Gegensatz zur Operation – den Tumor nicht entfernt. Dadurch sind ein Leben lang regelmässige Nachkontrollen nötig, um das Verhalten des Tumors zu beobachten. Ein erneutes Wachstum kann nicht ausgeschlossen werden.

Welche Nebenwirkungen können durch eine Akustikusneurinom-Bestrahlung auftreten?

Je nach Lage und Grösse des Tumors können akute Nebenwirkungen als unmittelbare Behandlungsfolge auftreten. In der Regel verschwinden diese nach kurzer Zeit wieder.

Es können aber auch chronische Nebenwirkungen auftreten, welche lebenslang erhalten bleiben oder im Falle eines Hörverlusts weiter voranschreiten.

Mögliche akute NebenwirkungenMögliche chronische Nebenwirkungen
SchwindelNarbenbildung im bestrahlten Bereich
Übelkeit und ErbrechenBeeinträchtigung des Gesichtsnervs (in weniger als 1% der Fälle)
MüdigkeitBeeinträchtigung des Trigeminusnervs (in ca. 5% der Fälle)
Schleimhautentzündung im Mund-/ RachenbereichVerlust des Hörvermögens*
Lokaler Haarverlust
Kopfschmerzen
Empfindungsstörungen der Kopfhaut
Schmerzen an den Befestigungsstellen des Kopfrahmens

*Studien haben gezeigt, dass es eine grosse Wahrscheinlichkeit gibt, dass Betroffene nach einer Bestrahlung im Verlaufe der Jahre ihr Hörvermögen schrittweise verlieren. Das heisst: Je länger die Bestrahlung her ist, desto stärker kann das Hörvermögen abnehmen. Nach 5 Jahren tritt der Verlust des alltagstauglichen Hörvermögens mit einer Wahrscheinlichkeit von 25-50% ein und nach 10 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von 50-75%.

Wie erfolgreich sind Akustikusneurinom-Bestrahlungen?

Aktuelle Studien weisen 10 Jahre nach der Behandlung eine über 90-prozentige Tumorkontrolle aus. Das heisst, dass in mindestens neun von zehn Fällen das Vestibularisschwannom 10 Jahre nach der Behandlung nicht weiter gewachsen oder sogar geschrumpft ist.

Vereinzelt kann dennoch ein erneutes Tumorwachstum auftreten – sofort oder erst nach mehreren Jahren. Hinzu kommt, dass eine Restunsicherheit bezüglich der Dauerhaftigkeit der Ergebnisse über mehr als 10 Jahre hinaus besteht. Die Frage, wie sich das bestrahlte Akustikusneurinom langfristig verhalten wird, kann die Forschung heute noch nicht beantworten. Gerade für jüngere Patientinnen und Patienten wäre diese Information jedoch von grosser Bedeutung.

Für wen ist eine Akustikusneurinom-Bestrahlung geeignet?

Die fraktionierte Radiotherapie und Radiochirurgie stellen heute für Patientinnen und Patienten mit einem hohem Narkose- und Operationsrisiko eine gute Alternative zur Operation dar. Das gilt auch für Patientinnen und Patienten, die sich aus individuellen Gründen gegen eine Operation entscheiden. Insbesondere für ältere Betroffene kann der schonendere Weg einer Bestrahlung eine gute Option sein. Hier kann ein wahrscheinlich eintretender und mehrere Jahre anhaltender Wachstumsstillstand des Tumors ausreichen, da eine nachfolgende Operation wahrscheinlich nicht notwendig wird.

Allerdings sollten einige Faktoren berücksichtigt werden. Dazu gehören in erster Linie die Lage und Grösse des Tumors. Hat ein Akustikusneurinom einen mittleren Durchmesser, der grösser als 3cm ist, sollte nicht bestrahlt werden. Auch die familiäre und berufliche Situation sowie die Verträglichkeit einiger - vorgängig vorhandender oder durch die Bestrahlung auftretender - Symptome sollten bei der Therapiewahl beachtet werden. Besonders die möglichen späten Nebenwirkungen können eine starke Beeinträchtigung im Alltag darstellen. Ebenso kann auch die Angst vor ebendiesen eine grosse Belastung sein.

Ebenfalls zu beachten: Nach einer Vestibularisschwannom-Bestrahlung sind lebenslang regelmässige MRT-Kontrolluntersuchungen erforderlich. Die Sorge vor einem erneuten Wachstum des Akustikusneurinoms kann für manche Patientinnen und Patienten ebenfalls Stress bedeuten.

Quellenverzeichnis

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Carlson ML, Link MJ, Driscoll CLW, et al. Comprehensive Management of Vestibular Schwannoma. Thieme; 2019.

Carlson ML, Vivas EX, McCracken DJ, et al. Congress of Neurological Surgeons Systematic Review and Evidence-Based Guidelines on Hearing Preservation Outcomes in Patients With Sporadic Vestibular Schwannomas. Neurosurgery. 2018;82(2):E35-E39.

Goldbrunner R, Weller M, Regis J, et al. EANO guideline on the diagnosis and treatment of vestibular schwannoma. Neuro Oncol. 2020;22(1):31-45.

Johnson S, Kano H, Faramand A, et al. Long term results of primary radiosurgery for vestibular schwannomas. J Neurooncol. 2019;145(2):247-255.

Park JK, Vernick DM, Ramakrishna N. Vestibular schwannoma (acoustic neuroma). In: Post TW, ed. UpToDate. UpToDate; 2023.

Fraktionierte Strahlentherapie

Bestrahlung des Akustikusneurinoms durch fraktionierte Strahlentherapie

Gamma-Knife

Bestrahlung des Akustikus­neurinoms mit Gamma-Knife

Cyber-Knife

Bestrahlung des Akustikus­neurinoms mit Cyber-Knife

ZAP-X Therapie

Bestrahlung des Akustikus­neurinoms mit der ZAP-X Therapie (Radiochirurgie)

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